Die Geschichte der Grundsteinkisten

Einen Kunstverein zu gründen und bereits ein Jahr später auf der internationalen Kunstmesse Art Cologne eine Sammlung von über 400 Kunstwerken so namhafter Künstler wie Günther Uecker, Markus Lüpertz, Elvira Bach, Emil Schumacher, Hilla und Bernd Becher und Erwin Heerich zu präsentieren ist eine Leistung, die ihresgleichen sucht.

Den Auslöser für diese Erfolgsgeschichte lieferte eine kleine Gruppe Langenberger Künstler und Kunstinteressierter, die auf der Suche nach Ausstellungs- und Atelierflächen im März 1993 das Kunsthaus Langenberg (e. V.) gründete. In Anbetracht leerer Kassen war zunächst einmal „finanzielle Kreativität“ gefragt. Vor diesem Hintergrund entwickelte ich, als Künstler und Vorsitzender des Kunsthauses, die Idee, einen „Grundstein“ zu gestalten und diesen zum Verkauf anzubieten. 200 Kalksandsteine wurden im Siebdruckverfahren mit dem windschiefen Kunsthauslogo bedruckt und auf dem Langenberger Stadtfest für 20 DM je Stein angeboten. Bereits wenige Stunden später war die Auflage vergriffen und der Verein verfügte über ein Startguthaben von 4.000 DM.

Inspiriert durch diesen Erfolg, experimentierte ich zunächst eher spielerisch mit den übriggebliebenen unbedruckten Steinen und stellte fest, dass sie sich sowohl bildhauerisch als auch malerisch gut bearbeiten ließen. Nachdem Künstlerfreunde mir dies bestätigt und sich spontan bereit erklärt hatten, Steine als Benefiz für das Kunsthaus zu gestalten, entschloss sich das Kunsthaus, auch überregionale Künstler für die Idee zu gewinnen. Zunächst von einer postalischen Versendung ausgehend, entwarf ich eine Holzkiste, die sowohl verpackungstechnischen als auch ästhetischen Kriterien genügte, und bestückte sie mit jeweils drei Kalksandsteinen.
Die „Grundsteinkiste“ war geboren, ein „Triptychon“ aus konzeptioneller Strenge und reduzierter Fläche – eine eigenständige Plastik, die sich allerdings selbst soweit zurücknahm, dass sie eine Weiterbearbeitung durch andere Künstler nicht nur zuließ, sondern einforderte. Kaum geboren, fanden die Steinkisten bereits wenige Wochen später auf der Düsseldorfer Kunstmesse Art Multiple das erste internationale Präsentationsforum.

Ende Mai 1994 war die Sammlung auf 250 Kunstwerke angewachsen. In Ermangelung anderer Räumlichkeiten wandelte sich meine Wohnung nach und nach in einen Ausstellungsraum (Bild oben). Vier Tonnen Kunst türmten sich entlang der Wände und stellten die Statik auf eine harte Probe. Künstler, Journalisten und Kunstfreunde gaben sich die Klinke in die Hand, um jeweils die neuesten Exponate zu besichtigen und eigene Arbeiten abzuliefern.
Da sich die Sammlung schon zu diesem Zeitpunkt als konzeptionelles Gesamtkunstwerk und als ein Dokument zeitgenössischen Kunstschaffens abzeichnete, nahm das Kunsthaus Abstand von dem ursprünglichen Plan, die Originale zu versteigern, und entschloss sich, stattdessen ein Multiple herzustellen.

Im August 1994 war die Zahl der fertigen Kunstwerke auf etwa 350 angewachsen, und es galt, einen angemessenen Rahmen für die Gesamtpräsentation aller Arbeiten zu finden. Mit Unterstützung des Kulturamtes der Stadt Velbert und der LEG fand sich dieser in der kurz zuvor leergezogenen Maschinenfabrik „Avola“. Die durch 100 Jahre industrielle Nutzung gezeichneten Bruch- und Backsteinwände der Hallen bildeten den idealen Hintergrund für die von Künstlerhand gestalteten Kalksandsteine. Mit einem dreitägigen Fest in Anwesenheit von 700 KunstlerInnen, Freunden und Förderern bedankte sich das Kunsthaus bei allen Beteiligten und feierte den großen Erfolg.

Bedauerlich war, dass diese Räumlichkeiten nur für den Zeitraum von drei Tagen zur Verfügung standen und danach unwiderruflich abgerissen werden mussten. Ohne Zeit für aufkommende Sentimentalitäten zu haben, mussten die sechs Tonnen Kunst unmittelbar nach Ausstellungsende abgebaut, verpackt, verladen und bei der bereits drei Tage später beginnenden „Art Multiple“ in Düsseldorf wieder aufgebaut werden.

Im Gegensatz zu der sehr atmosphärischen Langenberger Präsentation wurden die Steine auf der Messe als monumentales Gesamtbild von 28 x 3,5 Meter (Breite x Höhe) präsentiert. Die Resonanz war so groß, dass die Zahl der Multiples auf 350 anstieg und der Verein in den Folgemonaten Einladungen zur Buchmesse nach Frankfurt, ins Landesmuseum Bonn, zum Goetheinstitut Rotterdam und schließlich sogar zur Art Cologne erhielt.
Im November 1994 begann die Vorbereitung für die Art Cologne. Der WDR stellte dem Kunsthaus sein gesamtes Studio zur Verfügung. Der Besucherandrang übertraf alle Erwartungen. Ein Jahr zuvor noch völlig unbekannt, war das Kunsthaus Langenberg in den Fokus der internationalen Kunstwelt gerückt.

In den Folgejahren realisierte das Kunsthaus mit Unterstützung zahlreicher ehrenamtlicher Helfer so erfolgreiche Projekte wie Tuchfühlung 1 und Tuchfühlung 2. Projekte, die nicht nur hunderte von KünsterInnen eingebunden und hundertausende Besucher in die Senderstadt gelockt, sondern auch deren Ruf als Ort der Kunst und Kultur maßgeblich geprägt haben.

Der ursprüngliche Wunsch des Kunsthauses nach einem festen Domizil ist, wenn auch etwas verspätet, vor vier Jahren mit der Eröffnung des „AlldieKunst-Hauses“ in Erfüllung gegangen. Durch die Tatsache, dass die Grundsteinkiste nun nach 22 Jahren einen dauerhaften Standort im Wandelgang des Historischen Bürgerhauses Langenberg gefunden hat, ist das Ziel der Reise erreicht und die Sammlung dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich.

Norbert Bauer, 2015

Ausführliche Informationen zu allen Projekten finden Sie unter: www.alldiekunst.com